Physikalische Theorien als Strukturmodelle literarischer Texte. Der Physikroman als Experimentalgenre
Habilitations-Projekt
Department Germanistik und Komparatistik
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
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Abstract
Ziel des Projekts ist es, den ersten Versuch einer Typologie des Physikromans zu leisten, indem es unterschiedliche narrativ-fiktionale Formen der Darstellung und Vermittlung der Quantentheorie untersucht. Dabei geht es nicht um eine bloße Klassifikation, sondern um eine Typologisierung nach bestimmten Differenzierungskriterien, die eine komplexe Skalierung ermöglichen. Wegweisend soll hierzu A. Nünnings Modell der Gattungspoetik des historischen Romans sein. Es regt an, zur Binnendifferenzierung der Gattung eine Skala zunehmender Komplexitätsebenen narrativer Modellierung zu erstellen: Sie reicht von Romanen, die physikalisches Wissen lediglich thematisieren, über rhetorische und metaphorologische Verfahren seiner Funktionalisierung bis hin zur Semantisierung narrativer Strukturen für die fiktionale Vermittlung dieses Wissens. Die Gattung des Physikromans als experimentelles Genre soll durch die Beschreibung literarischer Verfahren bestimmt werden, die auf physikalische Experimentalanordnungen zurückgreifen. Es ist zu untersuchen, wie der Rückgriff auf physikalische Experimentalanordnungen zum Spiel mit Gattungskonventionen, zu ihrer Infragestellung und Subversion, zur poetologischen Gattungs-Innovation und zur Einführung neuer experimenteller Schreibweisen führt.
Zu erstellen ist ein theoretischen Modells, das Bausteine zu einer ersten möglichen Konzeptualisierung der Gattungspoetik des Physikromans liefert. Hierzu gehören auch eine textübergreifende Typologie der narrativ-fiktionalen Vermittlungsformen der Quantentheorie und gattungstypologische Differenzierungskriterien. Gemäß Paul Ricoeurs Analysemodell, das hierfür leicht zu modifizieren ist, soll für die Analyse berücksichtigt werden: die paradigmatische Achse der Präfiguration/Selektion physikalischen Wissens, die syntagmatische Achse der Konfiguration ihrer ästhetischer Vermittlungsformen, sowie die kognitiv-kommunikative Achse der Refiguration. Überdies müssen der Aspekt der Gattungsdynamik berücksichtigt und die kulturell-historische Entwicklungsdimension des Genres des Physikromans aufgezeigt werden. Dabei sollen sowohl ein synchroner Querschnitt durch die Gegenwartsliteratur vollzogen als auch diachrone Entwicklungstendenzen in der Literatur des 20. Jahrhunderts aufgezeichnet werden.